Foto: Friedrich Gobbesso

Bilder, Prozesse & Bedeutungen: Die Textarbeit für den Künstler Friedrich Gobbesso interpretiert ein aktuelles Werk.

Kunstbegleittexte
Katalogtexte
Reden
Friedrich Gobbessos Arbeiten oszillieren zwischen Geist und Materie, zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Der von der Galerie Mönch in Berlin vertretene Künstler schafft ein komplexes Werk, dessen experimenteller Charakter konzeptuell wie visuell Grenzen überschreitet – und die eingangs genannten Dualismen zu überwinden trachtet.

Pius begleitet den Künstler entlang der verschiedenen Werkphasen, findet Textformen für sein Schaffen, verantwortet die Kunstbegleittexte und hält die eröffnenden Reden bei Ausstellungen.

Danke an dieser Stelle an Friedrich Gobbesso für die Bereitstellung von visuellem Material für unsere Website. Gezeigt wird hier die deutsche Version eines Katalogtextes für die den Künstler repräsentierende Galerie Mönch in Berlin.

Künstler: Friedrich Gobbesso
Kunstwerk mit Mann

Friedrich Gobbesso: Zum Werk.
Katalogtext – Courtesy Galerie Mönch, Berlin

Die Kunst der Kunst

Die Welt tritt dem Menschen rätselhaft entgegen. Materie können wir sehen, berühren und bearbeiten, ihr tatsächlicher Ursprung aber verbleibt im Dunklen. Licht und Schall lassen Dinge aus dem Verborgenen treten, ihre Beschaffenheit aber ist eine unbegreifliche, mediale. Der Zeit stehen wir schicksalshaft, als in-sie-hinein-Geworfene, gegenüber. Dabei stellen die Konstanten der Realität keinen starren Rahmen dar. Dass sie vielmehr Ausgangspunkt für eine künstlerisch-experimentelle Auseinandersetzung mit den ihnen zueigenen Qualitäten, Potenzialen und Wesenszügen sein können, zeigt Friedrich Gobbesso durch seine vielfältiges Werk.

Der 1980 in Berlin geborene, an der Kunsthochschule Weissensee ausgebildete Künstler wählt für sich selbst die Bezeichnung „Bildhauer“. Bildhauerische Strategien sind für sein Werk unabhängig vom gewählten Medium maßgeblich. Zwar muten Serien wie „Kaustik“, „Fantastic Plastic“ und „Wonderful Disasters“ äußerlich wie abstrakte, zweidimensionale Bilder an, in ihrem Ursprung aber werden sie durch ein von Gobbesso sensibel dirigiertes Zusammenwirken der Elemente Wasser, Schall, Feuer und Licht erzeugt. Der Künstler fördert mit den Bildern zutage, was in den Elementen angelegt ist – und schafft auf diese Weise ästhetische Konstellationen, die unseren Blick auf die Welt erweitern.
Abstraktes Bild mit schwarz-weissen Linien.

Friedrich Gobbessos Kunst kann in ihrem Kern als visuell motivierte Elementarforschung entlang der Grenzen physikalischer Phänomene beschrieben werden. Ausgehend von den anfänglich bildlich erfahrbaren Ergebnissen seines Schaffens bewegt sich der Künstler zunehmend auf einem Echtzeit-Terrain – ein Pfad, der sich an der Entwicklung von der fotografischen Serie „Moiré“ hin zur Installation „Wavemaker“ nachzeichnen lässt. Bezieht er bei Moiré seine Kunst noch aus der Zeit, so bewegt sich sein Schaffen bei Wavemaker in bzw. entlang der Zeit: Gobbesso stellt dabei noch die Mittel und Variablen, entlässt seine Kunst aber in einen offenen Raum, den die Anwesenden selbst erforschen können.

Zeit als Urphänomen und der durch sie formatierte soziale Raum sind für Friedrich Gobbesso von wachsendem künstlerischem Interesse. Beide verweisen auf die ihnen notwendigerweise innewohnende Unwiederholbarkeit, eine für Gobbessos Kunst zentrale Qualität. Die von ihm für soziale Anlässe gebauten Objekte „Ruben‘s Tube“ und „Parrafraktor“ – beides hochdynamische Feuer- bzw. Lichtwerfer – zelebrieren die Flüchtigkeit respektive die Unwiederholbarkeit menschlicher Begegnung, indem sie ihren Facettenreichtum und ihre Intensität reflektieren. 
Kunstwerk mit toter Mücke

Analog zu den fotografischen Arbeiten spielt der Künstler auch hier mit elementaren Wesenszügen unserer (sozialen) Wirklichkeit und lädt dazu ein, vom Zuschauenden zum Handelnden zu werden.

In einer gleichermaßen von Möglichkeitsüberschuss und -verknappung geprägten, medial vermittelten wie verfremdeten Welt zielt Friedrich Gobbesso auf ein transzendentes Kunstverständnis. Dieses ist ähnlich wie Michel de Certeaus soziologische Theorie „Die Kunst des Handelns“ von einer gesteigerten Sensibilität für die Möglichkeit performativer Ausbrüche des handelnden Subjekts aus sich autoritär gebenden Rahmenstrukturen (Gesetze, Staat, Macht etc.) geprägt: Gobbessos Werk wird in diesem Sinne zu einer „Kunst der Kunst“. Sie stiftet zum Experimentieren, Spielen, Begegnen und Innehalten an. Die Welt ist ihm formbares, verfügbares Material. Im Ausbruch aus den Grenzen dieses Materials entsteht seine Kunst.